Marc, du bist in unserem Angebotsteam für Sondermaschinen zuständig. Und auch dein Hobby ist alles andere als gewöhnlich. Wie kamst du zum Extrembergsteigen?
Die Bergsteigerei mache ich jetzt schon seit über 20 Jahren. Ich liebe die Natur und das Gefühl von Freiheit, das einem die Berge geben. Angefangen hat es mit leichten Touren im Allgäu und in Österreich. Da habe ich gemerkt, dass ich mich in den Bergen einfach wohlfühle, sie mir guttun – sie sind wie mein Zuhause. Irgendwann wurden die Berge dann immer höher, die Touren länger und schwieriger und schließlich die Ziele internationaler. Es fasziniert mich, was die Höhe mit uns Menschen macht. Wenn man mal die 5.000-Meter-Marke überschritten hat, dann passieren interessante Dinge mit unserem Körper und auch Geist. Das ist spannend und gerade in Verbindung mit sportlicher Leistung sehr aufregend. Dazu die Gefahren des Bergsteigens, welche natürlich auch ein Stück weit ihren Reiz haben …
Auf welchen Bergen hast du deine Leidenschaft bis jetzt ausgelebt?
Die Zugspitze in Deutschland und der Großglockner in Österreich waren vor vielen Jahren meine ersten höheren Berge. Mit der Zeit kamen dann viele bekannte hohe Berge in den Alpen hinzu, inklusive dem höchsten: dem Mont Blanc in den Westalpen in Frankreich. Meine Leidenschaft führte mich dann irgendwann auf meinen ersten 6.000er, den Stok Kangri in Indien. Später ging es zum höchsten Berg des amerikanischen Kontinents, dem Aconcagua in Argentinien, und auf den höchsten Berg Nordafrikas (Jebel Toubkal, Marokko). Später dann kletterte ich am Pik Lenin in Kirgisistan.
Einem ambitionierten Bergsteiger wie mir kommt fast automatisch irgendwann ein 8.000er in den Sinn.
Marc Grün
Vor zwei Jahren sollte es mein erster 7.000er sein, dem Himlung Himal in Nepal. Und da ich auf diesen mehrwöchigen Expeditionen merkte, dass ich mit den widrigen Bedingungen und der dünnen Luft umgehen kann, kommt einem ambitionierten Bergsteiger wie mir dann fast automatisch irgendwann ein 8.000er in den Sinn. Und so ging es im vergangenen Jahr wieder nach Nepal, zum Manaslu, dem achthöchsten Berg der Welt.
Wie findet man denn heraus, dass man gut im Extrembergsteigen ist?
Zunächst ist man ein ganz normaler, irgendwann dann vielleicht ein guter Bergsteiger. Will man dann mehr, probiert man extremere Sachen aus, ohne Gewähr, dass diese auch gleich auf Anhieb klappen. So machte ich auf meiner ersten Expedition einige Fehler, die mich damals den Gipfel kosteten, mir aber jede Menge Erfahrung und Wissen zuspielten. Das heißt, mit jeder Tour wird man erfahrener und besser, aber sagen tut einem das keiner. Hohe Berge besteigen sollte man sowieso nur, wenn man auch recht schnell gelernt hat, Gefahren richtig einzuschätzen und im Zweifel auch mal umkehrt, ohne den höchsten Punkt erreicht zu haben.
Wie hast du dich auf die Besteigung des Manaslu vorbereitet?
Um mich körperlich fit für den Berg zu machen, bin ich oft einfach ins Allgäu oder nach Österreich in die Berge gefahren. Klassisches Training war, von morgens bis abends den Berg hochzurennen, und mit der Seilbahn wieder runter – mit Gewichtsmanschetten an den Füßen und einem schweren Rucksack auf dem Rücken, um die Bedingungen später auf Expedition möglichst gut zu simulieren. Da kamen dann schon mal 4.500 Höhenmeter zusammen – teils bei Dauerregen, was für die mentale Vorbereitung aber nur hilfreich war. Als ich kurz vor Start meiner Expedition die Zugspitze dann hoch und wieder runter in wenigen Stunden statt der ursprünglichen Zweitagestour meistern konnte, zeigte mir mein Körper, dass er soweit war.
Mental habe ich mich durch Atemübungen, Meditation und Yoga vorbereitet. Bei einer 8.000er-Besteigung können unvorhergesehene Dinge passieren, und man muss davon ausgehen, dass man etwas sieht, was man nicht sehen will. Genau auf diese Situationen muss man sich mental vorbereiten, damit man im Falle eines Falles ruhig bleibt und nicht umgeworfen wird. Zuletzt muss so eine Expedition natürlich geplant und organisiert werden. Die Kosten waren enorm, unter anderem durch die benötigte Spezialausrüstung, und der Aufbau eines Sponsorings durch interessierte Firmen war unausweichlich.
Wie verlief die Expedition auf den Manaslu dann?
Nach meiner Ankunft in der Hauptstadt Nepals, Kathmandu, und Organisation von letzten Dingen ging es los mit dem Bus an den Rand des Himalayas. Anschließend fuhren wir mit Geländefahrzeugen einen Tag lang ins Gebirge rein, bis die „Straße“ aufhörte. Von dort aus startete dann das Trekking Richtung Basislager des Manaslus. Wir waren neun Tage unterwegs in wunderbarer Landschaft durch Wälder, Schluchten, durch Täler und über Pässe. Übernachtet haben wir in kleinen Dörfern, meist bei einheimischen Familien, bis wir letztendlich im Basislager des Manaslus auf circa 4.800 Metern ankamen. Dort haben wir uns dann eingerichtet und uns auf den Berg vorbereitet.
In der Todeszone kann ein Mensch nur eine bestimmte Zeit lang überleben.
Marc Grün
Nach zwei Tagen Rast begannen die Akklimatisierungs- und Versorgungstouren in die Hochlager 1 auf 5.800 Metern, Hochlager 2 auf 6.300 Metern und Hochlager 3 auf 6.800 Metern. Auf ein potentielles Hochlager 4 auf ca. 7.500 m haben wir bewusst verzichtet, weil das mit einer enormen Kraftanstrengung verbunden gewesen wäre, dort ein Lager einzurichten und das ganze Material hochzuschaffen. Auf 7.500 Metern beginnt auch die sogenannte Todeszone. Ab dieser Höhe ist es einem menschlichen Körper nicht mehr möglich, länger als eine bestimmte Zeit zu überleben. Deshalb haben wir uns entschieden, den Gipfel später von Hochlager 3 aus in Angriff zu nehmen. Nach ungefähr zwei Wochen war dann die Hochlagerkette eingerichtet und wir gut akklimatisiert, um den Gipfelsturm zu wagen. Nach einer erneuten mehrtägigen Ruhepause im Basislager ging‘s dann los!
In Richtung Gipfel … Hast du ihn erreicht?
Die Bedingungen am Manaslu waren letztes Jahr sehr schwierig. Der Gletscher hatte sich in den Monaten zuvor so entwickelt, dass es relativ viele steile Aufschwünge gab, die es zu überklettern galt. Teilweise waren diese 80-90° steil, und teils auch überhängend. In einer solchen Höhe ist das sehr anspruchsvoll und kräftezehrend. Wir sind dann die zuvor aufgebaute Hochlagerkette Lager für Lager hochgestiegen/geklettert.
Am späten Vormittag des dritten Tages sind wir in Hochlager 3 angekommen, haben uns dort ein paar Stunden ausgeruht und schließlich abends um 18 Uhr den Gipfelvorstoß gestartet. Das Wetter war aufgrund der Kälte und eines Sturmes kritisch. Hier traten dann auch zum ersten Mal ernsthafte Probleme auf. Der Sauerstoff-Regulator meines Klettersherpas war defekt beziehungsweise eingefroren. Somit musste er ohne zusätzlichen Sauerstoff klettern, was ihm in dieser Höhe logischerweise sichtlich Probleme bereitete. Er wurde immer langsamer und schwächer und ich musste oft lange auf ihn warten, was aufgrund der Kälte nicht einfach ist.
Wir waren mitten in der Todeszone und kamen schlecht voran. Seine Kräfte schwanden und waren auf knapp 8.000 Metern am Ende. Er konnte nicht mehr weitersteigen und war sehr geschwächt. Sein Leben war akut gefährdet, sodass ich mich dazu entschied auf den Gipfel zu verzichten und zu versuchen, ihn irgendwie sicher nach unten zu bringen. Hilfe konnten wir keine erwarten, es waren sonst keine weiteren Bergsteiger in der Nähe. Wir haben uns dann in insgesamt 17 Stunden nonstop Kletterei zurück bis ins Hochlager 3 runter gekämpft und haben dort eine sehr ungemütliche und stürmische Nacht in 6.800 Metern verbracht.
Was ist dann passiert?
Am nächsten Tag sind wir Richtung Basislager abgestiegen und dort nach einigen Stunden wohlbehalten angekommen. Aufgrund des Wintereinbruches und der nicht mehr vorhandenen Logistikkette war klar, dass es keinen zweiten Gipfelversuch geben wird. Nach einer weiteren Nacht Pause haben wir vom Basislager aus dann das Trekking zurück in die Zivilisation angetreten, was nach den zurückliegenden Wochen und vier Tagen Marsch im Dauerregen sehr anstrengend war. Nach zwei weiteren Tagen mit Geländefahrzeugen sind wir erschöpft, aber doch nicht unglücklich wieder in Kathmandu angekommen … eine heiße Dusche, saubere und trockene Klamotten und ein kühles Bier waren ein Segen.
Wie stehen deine Familie und Freunde zu deiner – nicht ganz ungefährlichen –Freizeitbeschäftigung?
Gerade mein engster Kreis weiß sehr genau, dass die Berge meine Leidenschaft sind, es mir dort einfach gut geht und ich mich dort zu Hause fühle. Ich mache mit meinen Freunden auch gelegentlich gesellige Touren in den Bergen. Da geht‘s dann nicht um Höhenmeter oder Kilometer, sondern um die gemeinsame Zeit. Nichtsdestotrotz ist meine Familie aber natürlich schon besorgt, wenn es wieder los geht auf große Tour. Und sie sind natürlich jedes Mal mehr als froh und beruhigt, wenn ich nach mehreren Wochen Funkstille heil und gesund nach Hause komme.
Der Manaslu-Gipfel blieb dir verwehrt. Wie gehst du mit dem Thema Erfolg und Scheitern um?
Ich sehe eine Bergbesteigung und auch Expedition immer als Gesamtpaket. Es geht mir nicht nur darum, den Gipfel zu erreichen. Was drum rum passiert, die Anreise, das Trekking zum Berg, das Kennenlernen neuer Menschen und Kulturen, neue Erfahrungen et cetera gehören für mich genauso dazu. Allein deshalb hat sich gerade die Manaslu-Expedition schon in den ersten zehn Tagen gelohnt, bevor wir überhaupt auf den Berg gestiegen sind. Der Gipfel ist wichtig für mich, aber nicht alles und schon gar nicht um jeden Preis.
Bringt dir das Extrembergsteigen auch etwas für den Beruf?
Ja, definitiv. Jede Bergtour verändert mich. Die Berge sind für mich wie eine Schule fürs Leben. Sie lehren mich Dinge wie positive Auseinandersetzung und Durchhaltevermögen. Oder das Vertrauen, dass wenn ich genügend Energie und Kraft in ein Projekt reinstecke, alles schaffen kann, was ich anpacke, auch wenn die Situation schwierig ist. Ich glaube, das spüren auch meine Vorgesetzten, dass ich durch das Bergsteigen gewisse Eigenschaften entwickelt habe, die mich vorwärtsbringen und auch in meinem Geschäftsalltag hilfreich sind. Ich ziehe beispielsweise komplexe Projekte durch – trotz aller auftretenden Schwierigkeiten. Außerdem habe ich gelernt, zu priorisieren. Was ist hier und jetzt gerade wichtig, und was vielleicht nicht? Wo muss meine Konzentration jetzt hin? Im Geschäftsalltag sehr hilfreich. Auch das lehren einem die Berge.
Du nutzt deinen Urlaub für deine Bergtouren. Wie erholst du dich trotzdem?
Die Berge sind für mich pure Erholung. Nicht unbedingt eine mehrwöchige Expedition, aber einfache Touren alleine oder mit Freunden auf jeden Fall, beispielsweise in den Alpen. Nur zu Hause rumsitzen kann ich gar nicht, ein bisschen was mache ich immer. Nach der Manaslu-Expedition war ich lange körperlich und geistig erschöpft, das war sozusagen die Belastung nach der Belastung. Da helfen Entspannungsübungen und Yoga. Die Kunst ist es, in der hektischen Welt von heute mit vollen Terminkalendern, die kurzen Zeiten für eine Erholung optimal zu nutzen.
Erfährst du Unterstützung von Uhlmann?
Uhlmann als Arbeitgeber möchte ich da wirklich ein großes Kompliment machen. Ich konnte nicht erwarten, dass sie ‚Hurra‘ schreien, als ich ankündigte, mehrere Wochen weg zu sein, um auf einen 8000er im fernen Himalaya zu steigen. Sie haben das aber stets mit Begeisterung aufgenommen und mich unterstützt, wo es nur ging. Das ist nicht selbstverständlich, und ich bin sehr dankbar darüber.
Wie geht’s jetzt weiter für dich? Ruft dich schon ein weiterer Berg?
Ein paar kleinere Berge haben mich seit meiner Rückkehr aus Nepal durchaus schon gerufen. Hinsichtlich den ganz hohen Bergen dieser Welt habe ich schon während meines Abstiegs vom Manaslu gespürt, dass meine Mission dort oben vermutlich noch nicht ganz vorüber ist. Aber so eine Expedition hängt von vielen Faktoren ab, die passen müssen. Und jünger werde ich ja auch nicht, und ob man sich das ein weiteres Mal antun möchte, muss schon gut überlegt sein. Ein paar Ideen geistern auf jeden Fall aber schon in meinem Hinterkopf …
Vielen Dank für das Gespräch, Marc!
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